„Neuburger hat ein enormes Reifepotential, Weißburgunder ist eine der unterschätztesten Weißweinsorten – zu Unrecht.“

Soweit das Fazit aus der Verkostung, zu der Erwin Tinhof am 17. April eine Runde langjähriger Wegbegleiter und Freunde seines Weingutes ins Wiener Steirereck lud. Darunter Frank John, Bio-Berater aus der Pfalz, der Fassbinder Franz Stockinger, Josef Schuller MW von der Weinakademie Rust und weitere mehr.

Erwin Tinhof kam Ende der 1980er Jahre von seinen Auslandaufenthalten in Montpellier und der Domaine Mas du Daumas Gassac zurück. Sein Vorsatz: in Eisenstadt genauso elegante und authentische Weine zu machen wie in der Grande Nation. In tout Österreich wurden ja bekanntermaßen zu dieser Zeit große Flächen mit internationalen Rebsorten bepflanzt. Da wollte Tinhof nicht mitmachen. Viel zu sicher war er sich damals bereits der heimischen Qualitäten. Neuburger lag ihm immer am Herzen. Der Weißburgunder nicht weniger. Beide Sorten standen damals nicht unbedingt oben auf der Must-Have-Liste der heimischen Weinfreaks.Trotzdem ging Tinhof seinen Weg unbeirrt. Heute wird sein Name unweigerlich mit den beiden Rebsorten in Verbindung gebracht. Konstanz und Beharrlichkeit zahlen sich irgendwann immer aus.

Für mich begann die große Liebe zur Sorte Weißburgunder als ich 1989 meine erste Stelle als Sommelière im Schlosshotel Bühlerhöhe nahe Baden-Baden antrat. Schnell bekam ich das Gespür dafür, welch wunderbare Speisebegleiter Weine aus dieser Rebsorte sind. Der Neuburger trat erst viele Jahre später in mein „Wein“leben. Und mit ihm auch natürlich das Weingut Tinhof. Unter Insidern wurde es Mitte der 90er Jahre schon als heißer Neuburger Tipp gehandelt. Was mich an Erwin Tinhofs Weinen immer begeistert hat, ist die Subtilität und Eleganz, die sie ausstrahlen. Hier wird nichts mit lauter, marktschreierischen Art vor sich hergetragen. Wohltuend bodenständig, fast schon mit Understatement, trifft wohl ganz gut.

Verkostet wurden zu Beginn des Abends sechs 3er Flights.

Flight 1: Neuburger 2010-2007-2006 wobei vor allem die beiden älteren ihre nussigen Aromen gepaart mit schier unglaublicher Jugendlichkeit ausspielten. Beim 2010, von dem es in den Kellern wahrscheinlich nicht mehr viel gibt, steht noch am Anfang seiner Entwicklung.

Flight 2: Weißburgunder 2001-1998-1996 hier überraschte uns der älteste Wein der Serie mit einer derart jugendlichen Farbe, straffer Säure, Eleganz und feiner gelber Frucht. Auch 2001 brillierte in einer ganz eigenen Direktheit. Einzig der 1998er (als wirkliche Ausnahme des Abends) schwächelte leicht.

Flight 3: Weißburgunder 1990-1992-1999 alle drei buhlten derart um unsere Gunst. Wer gewann das knappe Rennen? Für mich war es der 1999er. Im Duft enorm lebendig, zarte röstige Noten wechselten sich mit getrockneter Marille ab. Ein hocheleganter Wein dazu – wow.

Flight 4: Fuchsenriegl 1993-2000-2003 (jeweils aus der Magnum) Erkenntnis hier: keine Angst vor dem Jahrgang 2003. Der Wein besteht aus 80% Neuburger, 20% Weißburgunder. Trotz des bekanntermaßen sehr heißen Jahrs steht heute da wie eine Eins. 2000 braucht noch ein wenig Zeit um seine etwas präsenten Holznoten abzubauen, hat noch viel Reifepotential.

Flight 5: Fuchsenriegel 2002-1997-1991 im reifsten Wein des Flights spielt der Neuburger wieder seine volle Nussigkeit aus. Wunderbar jugendlich zeigt sich diese Cuvée (80% Neuburger, 20% Weißburgunder). Besonders delikat war der 2002er mit feinen Birnentönen und zartem Karamel.

Flight 6: Leithaberg weiß 2008-2005-2004 Erwin Tinhof war Gründungsmitglied des Vereins Leithaberg, was in weiterer Folge zur DAC Leithaberg wurde. Leithaberg weiß löste den Fuchsenriegl ab. Tinhofs klare Bekenntnis zum Neuburger auch hier. Alles drei stehen noch ganz am Beginn.

Anschließend bewies die Küchencrew um Heinz Reitbauer, dass sie gekonnt auf Weine zukochen kann. Grüner Spargel mit Schafskäse, Zitronen-Taglilien und Bergamotte begleitete Neuburger 2013 und 2011. Die Frische und Lebendigkeit des Weines fand am Teller seine kongenialen Partner. Artischocken, Topinambur, wilder Vogerlsalat und Pericon waren das cremig, zartwürzige Gegenüber von Weißburgunder 2014 und 2012. Den mineralisch würzigen Leithaberg DAC 2012 und 2009 stellte Reitbauer Rosa Bianca Melanzani mit Weißkraut und Erdnuss dazu. Zu Blaufränkisch Gloriette aus der Magnum 2011, 2004 und 2002 sollte es über Holzkohle gegrillte Erdfrüchte mit Gelbwurz-Caviar sein. Ein Bravo an das Team vom Steirereck. Auch der sympathische Service klappte wie am Schnürchen.

Tinhof Verkostung Steirereck