2023 Herrengasse 4 – Arndorfer
Die Weine von Anna und Martin Arndorfer basieren auf Gefühl und Intuition. In den letzten zehn Jahren haben sie ihren Stil geschärft.
Eine Herrengasse gibt es in Wien. Wer richtig gute heimische Küche liebt, bei dem macht es sofort Klick. Grünauer. Herrengasse 32. Nicht nur das Essen, auch die Weinkarte machen dort richtig Spaß. Und dann gibt es die Herrengasse im Strasser Kamptal. Hier beginnt die Geschichte eines spannenden Weins. „Das war die Wohnadresse meiner Großeltern. Sie haben damals unseren Neuburger ausgepflanzt. Ihnen haben wir den Wein gewidmet, so wie er jetzt ist“, erzählt mir Martin Arndorfer. Der heute maischevergorene Neuburger hat sich im Laufe der letzten zehn Jahre aus der Serie Strasser Weinberge heraus entwickelt. Ich kenne den Wein viele Jahre und mochte ihn immer gerne. Auch zu einer Zeit, wo er durchaus klassischer ausgebaut wurde. Er hatte immer das besondere Etwas – Spannung, Säure und Ausdruck. „Wir wollten ihm aber noch mehr Charakter geben. Er ist jetzt fast eine Gegenthese dazu, wie der Wein früher einmal war“, sagt Martin Arndorfer.
Begleitend war eine neue Flaschenausstattung natürlich logisch. Die Trauben stammen unter anderem von der Ried Gaisberg, wo sie auf purem Urgestein wachsen. Ein weiterer Teil kommt von der unbekannteren Lage Bleckenweg. Dort stehen 1964 gepflanzte Neuburgerstöcke auf Schotter. Gelesen wird der Neuburger bei den Arndorfers so spät wie möglich. Sie richten sich beim Erntezeitpunkt vor allem nach dem Geschmack der Beeren und eigentlich überhaupt nicht nach analytischen Werten. Die Botrytis ist allerdings das, was die Beiden genau im Auge behalten. Bevor sie eintritt, wird jedenfalls geerntet.
Lässiger Zug
Mir gefällt der 2023 Herrengasse 4 richtig gut. Die Tastingnotes: Die Bergamotte-Würze eines Earl Grey Tees, reife gelbe Äpfel, weiße Melone und kräutrige Anklänge prägen den Duft. Was am Gaumen zuerst auffällt, ist das supertolle Tannin. Es gibt Struktur und Biss. Dabei bleibt der Wein aber immer elegant. Brachialen Orange-Wein-Charakter sucht man hier (zum Glück) vergeblich. Säure, Gerbstoff und Körper sind perfekt ausbalanciert. Der Neuburger hat Zug. Richtig lässigen Zug sogar. All das macht ihn zum genialen Speisenbegleiter. Für mich matcht er besonders zu würziger Gemüseküche mit viel Umami.
Die Weinwerdung: Zwei Drittel der Erntemenge wurde als ganze Trauben mit acht Stunden Mazeration gepresst und nach einem kurzen Absetzen im neutralen Barrique spontan vergoren. Der Wein blieb dort auf der Vollhefe bis kurz vor dem Blending. Für das dritte Drittel verbrachten ganze, leicht angedrückte Trauben 30 Tage im Stahl, um auf der Maische zu gären. Nach der Pressung reifte der junge Wein ebenso im Barrique. Nach zehn Monaten wurden alle Fässer verkostet. Die Selektion daraus durfte anschließend noch für zwei Wochen in Ruhe im Stahl zusammenfinden. Gefüllt ist der Neuburger mit einer minimalen Dosis an Schwefel. „Für mich hat gibt es dazu verschiedene Aspekte. Stabilität ist einer. Ich habe aber auch bemerkt, dass eine geringe Schwefelgabe den Wein etwas bekömmlicher macht. Wenn ich komplett ungeschwefelte Weine trinke, vertrage ich das vielfach weniger gut, also so“, meint Martin Arndorfer. Mir persönlich ist in den letzten 15 Jahren aufgefallen, dass die Arndorfer-Serie viel authentischer und erwachsener geworden ist. Der Stil ist tiefgründig, was aber niemals auf Kosten einer anregenden Trinkfreude geht.
@Kalk&Kegel