2017 Müller-Thurgau – Bretz

Jörg Bretz hadert schon lange damit, wie der Müller-Thurgau beleumundet ist. Seiner Meinung nach kann die Traditionssorte viel mehr, als man ihr zugesteht.

Dass der Winzer mit deutschen Wurzeln seinen Weinen Zeit – sehr viel Zeit – gibt, ist oft besprochen und ausgiebig diskutiert worden. Jörg Bretz steht für Charaktertypen mit einer wirklich ordentlichen Reife. Bis heute ist er eine Ausnahmeerscheinung in der Szene. Nichts bringt ihn davon ab, seine Weine erst mit für ihn wirklich beginnender Trinkreife auf den Markt zu bringen. Dieser Stil polarisiert durchaus, hat aber auch viele Fans. Vor allem in der Gastronomie, wo die Möglichkeit interessante, gereifte Weine zu einem anständigen Geld ins Haus zu bekommen, immer noch eher schwierig ist.

Beim Wort schwierig taucht gleich ein weiteres Anliegen von Jörg Bretz auf. Die Sorte Müller-Thurgau. Ich habe meine Sommelier-Laufbahn Ende der 1980er Jahre in Deutschland begonnen. Damals hätte sich kein Mensch getraut, einen Müller-Thurgau auf die Weinkarte zu schreiben. Zu ramponiert war das Image der eigentlich alten Sorte, zu miserabel der Großteil der Weine. Gefühlt hat man damit alles probiert und ausgereizt was geht, denn der Müller ist genügsam und lässt ziemlich viel zu. Die Reben können riesige Menge produzieren und somit kann der Wein relativ günstig in die Flasche gebracht werden. In der Regel hat man ihm noch einen ordentlich Süßespitz à la Liebfrauenmilch verpasst. Seriosität und Anspruch Fehlanzeige. Der Wein wurde unverkäuflich. Wenn man die Sorte gut behandelt und den Weinen Zeit gibt, steckt viel Potenzial darin. Sagt auch Bretz unermüdlich. Wer ihn kennt, weiß dass Sturheit und ein langer Atem für ihn charakteristisch und hier essenziell sind.

Charaktertyp

Aktuell hat der Winzer beim Müller-Thurgau den Jahrgang 2017 am Markt. Und der präsentiert sich wirklich in großartiger Verfassung. Dazu später. Die Trauben für den Wein wachsen auf kalkhaltigen, sandigen Lehm in Neusiedl am See, wo die Rebsorte durchaus Tradition hat. Gewirtschaftet wird organisch-biologisch. Am Etikett gibt Jörg Bretz das aber nicht an. Für ihn ist das ohnehin Grundvoraussetzung. Nach einer selektiven Handlese wurde die Maische 14 Tage mazeriert, spontan vergoren und nach einer groben Sedimentation für 48 Monate im großen Holz gereift. „Ich arbeite mit minimalem Schwefeleinsatz während des Ausbaus, weil ich will, dass der Wein sauber und stabil ist. Flüchtige Säure, oxidative Noten oder gar Mäuseln haben hier nichts verloren. Ich lasse meine Weine im Keller vollkommen in Ruhe. Vielleicht koste ich zweimal im Jahr. Wenn die Trauben top sind und in der Vinifikation alles gepasst hat, braucht man nicht mehr viel machen“, sagt der Winzer.

Aber wie schmeckt er nun, der Müller-Thurgau aus Neusiedl? Seine Farbe ist ein goldenes Gelb mit feiner Trübung. Im Duft mischen sich eine zarte Muskatblütenwürze, wie sie für die Sorte so typisch ist, mit saftig gelber Kernobstfrucht, kandierter Orange und ein wenig Melisse. Am Gaumen entwickelt der Wein einen feinen Grip, hat eine perfekt stützende Säure und dazu eine richtig lässige Spannung. Die Frucht des Buketts spiegelt sich am Gaumen nahezu exakt wider. Als Gesamtpaket ist er ein supertoller Speisenbegleiter und Vorzeigebeispiel für die Rehabilitierung des Müller-Thurgaus.