2022 Blaufränkisch Elektra – Hans & Anita Nittnaus
Der Name Nittnaus gilt als Institution und Qualitätsmotor der heimischen Weinszene. Auch die zeitgeistige Linie von Lydia, Andreas und Martin setzt Maßstäbe.
Herausforderung Stabübergabe. In große Fußstapfen zu treten ist nie einfach. Das weiß jeder. Im Weingut von Hans und Anita Nittnaus sind sie gefühlt riesig. Die nächste Generation bringt aber jede Menge Stärken mit, um das zu schupfen und daneben auch noch die aktuellen Herausforderungen – Klimawandel, Rotweinkrise, etc. – super zu meistern. Lydia, Cousine der Brüder Andreas (brillanter, feinfühliger Önologe) und Martin (enorm kreativer Geist) ist der Ruhepol im Ganzen. Bei ihr laufen die Fäden zusammen. Gemeinsam stehen die drei aktuell vor allem für ihre Kollektion rund um die Weine Manila, Arktika, Spektra und Elektra im Rampenlicht.
Elektra gibt es als Grünen Veltliner und Blaufränkisch. „Es hat uns neben dem Manila, mit dem die Weinlinie angefangen hat, noch etwas gefehlt, dass eine Spur mehr Komplexität mitbringt und das gleichzeitig mit Trinkfreude und Leichtigkeit verbinden kann“, erzählt Lydia Nittnaus. 2017 gab es den ersten Weißwein. Der Rote kam ein klein wenig später dazu. Die Trauben für den Elektra rot stammen von Leithaberg aus der Ried Tannenberg in Jois – Nittnaus-Fans kennen sie gut. Sie fließt direkt in den Jungenberg über. Das Terroir ist kühl, nord-westlich ausgerichtet, der Boden geprägt von purem Schiefer und Quarzit.
Hochspannung
Ich hatte den Blaufränkisch Elektra 2022er im Glas. Der Jahrgang war bekanntermaßen mehr als herausfordernd. Die Weingärten starteten schon mit einem Wasserdefizit aus dem Winter in die Vegetation. Bis Juni gab es dazu noch so gut wie keinen Regen. Die Folge: schwaches Wachstum und Reifeverzögerung. Geerntet wurde für den roten Elektra am 22. September. Die Trauben hatten sehr kleine Beeren mit viel weniger Fruchtfleisch und dickeren Schalen als sonst üblich. Wegen der geringen Stickstoff-Versorgung der Reben sprang die Spontangärung nur schwer an und dauerte lange. Eine kleine Spur Restzucker (2,5 Gramm) ist dem Wein trotz Zuwendung, Ruhe und Zeit geblieben. Die wirkt im fertigen Roten durchaus ganz charmant. Nach zehn Tagen Maischestand mit ultrasanfter Extraktion, fast wie bei einem Tee, wurde gepresst. Danach ging es direkt in ein 1.200 fassendes neutrales Holzfass sowie eine Tonamphore. Dort blieb der Wein bis Anfang April 2023, danach wurde abgezogen und mit 20 Milligramm sanft geschwefelt.
In der Flasche konnte er noch ein halbes Jahr im Weingut weiterreifen. Jetzt ist Elektra rot erhältlich und zweigt sich als entspannter, tiefgründiger Blaufränker, den man sich gerne einfach jeden Tag aufmacht, ohne die Typizität und den Ausdruck des Leithabergs zu vermissen. Im Bukett mischen sich dunkle Beeren, Zwetschke, etwas Schwarzbrotkruste und eine anregend mineralische Würze (Schiefer). Der Blaufränker bringt enorme Fruchtigkeit an den Gaumen mit, ist wohlig satt und gleichzeitig kühl strukturiert. Sein markanter Gerbstoff gibt ihm ein tolles Gerüst, ohne den Trinkfluss zu behindern. Der Wein vibriert, springt zwischen Leichtigkeit und klaren Rebsorten-Attributen hin und her. Bei all dem nimmt er sich nie wichtig und sagt doch viel. Das ist fröhliche Hochspannung am Gaumen. Elektra eben.